Im deutschsprachigen Raum hat sich der Geheimtipp offenbar noch nicht herum gesprochen. Nützliche Bakterienstämme wie Limosilactobacillus Reuteri sind im Handel entweder nur schwer erhältlich, teuer, oder viel zu niedrig konzentiert, deswegen ist es bei akuten Gesundheitsproblemen besser, die Kulturen zuhause zu vermehren.

Welche Stämme üblich sind

Bakterien werden von Organisationen wie z.B. dem ATCC (American Type Culture Collection) oder dem DSM (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen) entdeckt und extrahiert. Weiteres Beispiel ist das Rosell Institute for Microbiome and Probiotics by Lallemand. Teils werden die Kulturen auch gentechnisch verändert und patentiert, um bestimmte Eigenschaften über modifizierte Gensequenzen herauszunehmen oder einzufügen.

Am potentesten sei Lactobacillus Reuteri ATCC PTA 6475 „L. Reuteri Osfortis“, doch man kann es auch mit ähnlichen Produkten versuchen. Z.B. das deutsche BiGaia Gastrus enthält 2 verschiedene Stämme (DSM 17938 + ATCC PTA 6475). Aus Polen bekommt man die BioGaia Gastrus im Doppelpack (2×30 Tabletten) bei Ebay teils für 30€ inkl. Versand nach DE.

Die Studien zum Thema Knochenwachstum, Oxytocin und Testosteron wurden mit der Variante „6475“ vorgenommen. „17938“ hingegen soll vor allem bei SIBO Fehlbesiedlung des Dünndarm helfen. Der Stamm L. reuteri 6475 hat antientzündliche Eigenschaften. Das soll Knochenabbau vermindern und die Knochendichte verbessern. Es gibt für Mundgesundheit auch spezielle Lactobacillus reuteri Prodentis „GUM PerioBalance“ (enthält DSM 17938 and ATCC PTA 5289), angeblich gut gegen Zahnfleischbluten. Sorgt auch für glatte Zähne wie ich finde. Starke Probiotika waren das fehlende Puzzlestück für meine kaputten Zähne.

Da hochwertige Probiotika generell recht teuer sind, mache ich die Vermehrung auch mit anderen Stämmen, etwa die in OMNi-BiOTiC iMMUND enthaltenen Streptococcus salivarius K12, oder die von OraLactin angebotene Mischung aus Lactobacillus Helveticus Rosell-52 R0052, Lactobacillus rhamnosus Rosell-11 R0011  Bifidobacterium longum Rosell-175 R0175. In Verbindung mit Xylit-Spülungen und ätherischen Ölen bekämpfe ich damit erfolgreich die Plaque Bildung der schädlichen S. Mutans Kariesbakterien. Gute Mundflora stehe sogar in Zusammenhang mit Diabetes-Vorbeugung. Ein weiteres gutes Probiotikum bei SIBO Krankheit oder H-Pylori Magengeschwüren sei Saccharomyces boulardii, soll in Bio-Hefe drin stecken und auch deutlich verträglicher sein als die normalen billigen cerevisiae Hefestämme.

Geübte Feinschmecker können die Kulturen genauer zuordnen. Reuteri oder Bulgaricus haben sehr markanten Eigengeschmack. Auch L.Casei finde ich geschmacklich interessant. Bakterienvielfalt sorgt dafür dass Käsesorten unterschiedlich schmecken.

Vorsicht: Manche Stämme können bei Histaminunverträglichkeit auch Nebenwirkungen verursachen. Am Anfang einer Kur kann es auch sein dass sich einige alte Giftstoffe aus dem Körper lösen und ihn reizen. Allgemein habe ich aber eher gute Erfahrungen gemacht. Der Stuhl ist deutlich gleichmäßiger geworden nachdem sich alles eingependelt hat. Mittlerweile habe ich auch keine Angst mehr vor Magengeschwür mit H. Pylori, weil ich weiß dass gute Bakterien diese Fehlbesiedelung beheben kann.

Auch für den Intimbereich von Frauen gibt es einige Spezialprodukte, damit habe ich mich bislang nicht näher beschäftigt.

Joghurt-Herstellung

Im klassischen Rezept von Dr. William Davis (Autor von „super gut/Neustart für den Darm“ und „wheat belly/Weizen Wampe“) wird vor allem Inulin und Milchprodukte als Nährlösung genutzt. Wenn Amerikaner von „half and half“ reden, meinen sie das was bei uns als 15% Kochsahne verkauft wird. Kann man selber mischen. Der Hauptgrund warum Sahne rein soll: Die Verbesserung der Konsistenz, damit es wie Joghurt wird. Es wird abgeraten, Carragen-stabilisierte Sahne zu nutzen. In Deutschland sind quasi nur Bio Sahnen ohne Zusatzstoffe.

Die Milch und das Inulin Pulver können Verunreinigungen enthalten, deswegen wird dringend empfohlen, beides nochmal abzukochen. Durch ein bisschen Hitze kann man zwar keine Sporen abtöten, doch das Ergebnis soll sich deutlich verbessern lassen wenn unerwünschte Kulturen abgekocht werden. Das hänge auch damit zusammen, dass die typischen sporenbildende Bakterien andere Umgebung benötigen um gut zu wachsen.

Die in den Kapseln oder Tabletten enthaltene Bakterienkonzentration muss man auf der Verpackung nachschlagen und dann auf die benötigte Dosierung umrechnen: Auf 1 Liter Nährflüssigkeit brauchst du MINDESTENS 2 Mrd Kulturen, besser mehr. Bei halber Menge Flüssigkeit reicht entsprechend etwas weniger. Die Tabletten müssen zu einem Pulver zerstoßen werden.

Dosierungsbeispiele:
Typische Lutschtabletten wie Gastrus, Periobalance etc: 200 Mio je Tablette, also 5 Stück auf einen halben Liter Flüssigkeit.
Bigaia/Protectis Tropfen: 20 Mio je Tropfen, also 100 Tropfen auf einen halben Liter Flüssigkeit
IMMUND: 1 Mrd je Tablette
Oralactin Kaupastille je 1,2Mrd, Sachets je 1Mrd

Im amerikanischen Raum wird üblicherweise eine Mischung aus 50% Milch und 50% Sahne + 2 Esslöffel Inulin pro Liter Flüssigkeit genutzt. In einer Studie hat Inulin gar nicht so gut abgeschnitten als Beschleuniger der Reuteri Kulturen (siehe Facebook). Aber man kann auch ganz andere Nährlösungen nehmen, wenn man nicht Joghurt als Zielsetzung hat. Dazu im letzten Kapital mehr Infos.

Besonders bei der ersten Bereitung kann sich die flüssige Molke abtrennen, weil die Kulturen erst langsam aus ihrem gefriergetrockneten Winterschlaf aufgeweckt werden. Spätere Vermehrungen sollten etwas gleichmäßigere Konsistenz haben. Bei der ersten Charge sind auch die Geschmacksstoffe der Starter-Tabletten noch stark präsent. Schnelles Abkühlen der Milch durch kalte Wasserbad und dabei Umrühren soll wohl zu einer verbesserten Konsistenz führen.

Welches Gerät nehmen? Joghurtbereiter, Instant-Pot, Tefal Turbo Cuisine, Sous-Vide Bereiter, … hauptsache man kann die Temperatur präzise einstellen.

Ausbrützeit und Temp: Üblicherweise 36 Stunden bei 37°C. Zum Ende hin gibt es exponentielles Wachstum. Eine Studie besagt, dass das Wachstum bei etwas höheren Temperaturen noch höher ist, doch die Temperatur soll niemals 43°C überschreiten, sonst sterben die Kulturen ab. Ab 49°C ist alles tot. Die gefriergetrockneten kommerziellen Kulturen müssen ohnehin erst aufwachen, deswegen gibt es am Anfang kaum Aktivität. Und da liegt das Problem, denn es ist ein Wettrennen gegen kleinste Verunreinigungen die sich ebenfalls vermehren. Das Ende des Fermentationsprozesses erkennt man daran dass der pH Wert seinen Zielbereich erreicht hat (ca. pH 4,5).

Schade: nach einigen Vermehrungen ist der Anteil an Fremdkulturen so hoch dass kaum noch Reuteri enthalten sind. Deswegen von der ersten gelungenen Zubereitung einen Teil in Würfel einfrieren. Beim Einfrieren sterben zwar auch mehr als 50% der Bakterien ab, aber es sind anschließend noch genug übrig. Außerdem sind auch tote Bakterien oftmals noch nützlich („Postbiotika“).

36 Stunden sind optimal für die maximale Vermehrung von L. Reuteri, und alles darüber hinaus erhöht die Anzahl nicht und die Bakterien könnten nach 36 Stunden anfangen abzusterben. Es hängt auch ein bisschen am pH Wert. Unter 4 ist nicht so gut für die Reuteri Kulturen. Durch Zusatz von Beschleunigern wie Glycerin kann der Prozess auch etwas schneller gehen.

Im Endprodukt sind 500 Mrd aktive Bakterien je Liter enthalten, das heißt ein Löffel reicht zur Vermehrung aus. Nach zehn Tagen fängt der fertige Joghurt an, etwas an Potenz zu verlieren, da die Bakterien langsam absterben.

Probe auf Kontamination: ein Milchglas ohne Zusatz zu verwenden. Wird es ebenfalls Joghurt, sind wilde Bakterien in der Luft.

Einige der Reuteri überleben die Magensäure und besiedeln so den Dünndarm. Mindestens alle 5 Tage den Joghurt essen, danach geht die Zahl der Bakterien runter.

Es muss nicht immer tierisch sein

Es muss nicht unbedingt Kuhmilch als Basis genommen werden: Es gibt auf Reddit einen Mikrobiologen der sagt, Reuteri würde auf Kokosmilch deutlich besser gedeihen, was gleichzeitig auch andere unerwünschte Arten verdränge.  https://www.reddit.com/r/ReuteriYogurt/comments/1jv2jz2/claims_about_no_reuteri_present_in_subsequent/

Nimm Kokosmilch ohne Zusatzstoffe, z.B. von Alnatura oder Bio Noname aus dem Discounter. Die Verdickungsmittel der billigen Kokosmilch Hersteller könnten unsere wertvollen Kulturen stören, heißt es.

Statt Inulin gibt es laut Studien noch weitere gute Nährmittel-Zusätze: Glycerin (beschleunigt das Wachstum und hilft bei der Bildung von Antibiotika), Collagen, Karottensaft, Kartoffelstärke, Polyphenolreicher Fruchtsaft, Glutamin, grüne Bananen, Zucker, Milchpulver. Die Bakterien brauchen vielfältige Nährstoffe für optimales Wachstum.

Da sich die Bakterien auch in anderen Substraten gut vermehren, kannst du auch einfach eine Art Smoothie draus machen. Schmeckt dann ähnlich wie verdünnter Apfelessig. Wobei Reuteri Bakterien einen sehr speziellen Eigengeschmack haben der auch dort durchschimmert.

Spannend: Obwohl es sich um Lactobacillus handelt, gehen auch einige andere Zuckerarten zur Vermehrung. Es gibt spezielle Studien dazu aber für den Hausgebrauch ist es nicht ganz so wichtig.

Ich selber bin teils von Milchprodukten weggekommen, weil sie bei mir Tonsillensteine verursachen. Probierts einfach mal aus. Auch Kokos-Joghurt hat den typischen eigenartigen sauren Reuteri Geschmack. „Tangy“ und „tarte“ wie die Amerikaner dazu sagen.

Cress empfiehlt z.B. Guarkernmehl, Stärke oder Gelatine zum eindicken und stabilisieren von pflanzenbasierter Joghurts.

 

 

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